Neben Farbbildung hat Licht eine raumbildende Aufgabe. Man kann es architektonisch lenken. Lichtachsen zeigen uns Wege der Orientierung.
In diesem Dachstuhl eines historischen Bauernhauses in Wehrbergen bei Hameln zeichnet Licht, das durch den Giebel dringt, magische Linien in die Dunkelheit des uralten Eichengebälks.
Die kleinen Luken im Mauerwerksverband zur Durchlüftung des eingelagerten Heus finden sich an norddeutschen Bauernhäusern eher in einfacher, geometrischer Verteilung. In Österreich sind sie als sogenannte Giebelluckn oder Stadlgitter aufwendiger, sehr ornamental und erinnern an kunstvolle, orientalische Muster oder gotisches Maßwerk. In der Bauwelt habe ich gerade gelesen, dass man das jetzt Filtermauerwerk nennt. So werden für Architektenwettbewerbe alte Ideen mit neuer Wortfindung verkauft. Das Audimax der Uni Greifswald hat ein sehr schönes Filtermauerwerk.
Wenn Licht gefiltert wird, wie hier durch das Grün vor der Bleiverglasung am Kreuzgang des Klosters Lüneburg oder im Kloster Mariensee in der Nähe des Steinhuder Meers, dann bekommt es eine besondere Qualität. Kreuzgänge zeigen das alte, architektonische Prinzip, Gänge seitlich zu belichten. Viele innenliegende Flure haben ohne Tageslicht keine Aufenthaltsqualität. Sie werden zu reinen Erschließungsräumen. Dabei lassen sich bewährte Archetypen wie der Innenhof mit Kreuzgang in jeden Architekturstil integrieren. Einfach Licht als Symbol für ein bestimmtes Raumempfinden einsetzen. In der gotischen Kathedrale geben die Obergaden, also die Konstruktionen um die Oberlichter der Seitenschiffe den Gewölben zusätzliches Unterlicht und heben die gewaltigen Raumhöhen noch weiter in die göttliche Unendlichkeit. Etwas von dieser Theatralik wünscht man sich für heutige Architektur.
Schaut man von außen in das Foyer der Volkswagenstiftung in Hannover Döhren (1967-69) geht der Blick durch das Gebäude hindurch in einen zweiten, innenliegenden Außenraum, dem Atrium, der die tiefliegenden Räume natürlich belichtet und gleichzeitig den Mitarbeitern eine geschützte Aufenthaltsqualität bietet.
Architektonische Kontinuität wie hier bei Dieter Oesterlen (1911-1994) in der Nachkriegsmoderne bedeutet, dass man bewährte Grundmuster verwendet und modern weiterentwickelt. Gibt es für innenliegende Gänge keine Möglichkeit der natürlichen Belichtung, wie in der Ausstellung des Gartenbaumuseums Erfurt, dann wird zur Orientierung im Ausstellungsraum die Dramatik der künstlichen Belichtung mit Hell- und Dunkelzonen umso wichtiger.
Im Schloss Bleckede an der Elbe gibt es zur Dramatisierung des Gebälks unterm Dach eine Lichtaudioinszenierung. Sobald man über Bewegungsmelder erkannt den Raum betritt, beginnt die spannende Erzählung zur Geschichte des Gebäudes und passend dazu werden die verschiedenen, tragenden Elemente des Dachstuhls im Wechsel angestrahlt.
Das Schloss mit Bauphasen aus dem 16. , 17. und 18. Jahrhundert spricht besonders Besucher an, die sich für Baugeschichte und Natur interessieren. Seit 2000 ist hier das Informationszentrum des Biosphärenreservats Elbtalaue untergebracht mit einer 1000 m² großen Ausstellung.
Aus einer Zeit ohne Hochregallager, als große Hallenflächen noch über Oberlichter und Sheds natürlich belichtet wurden, stammt die Stahlkonstruktion des ehemaligen Güterbahnhofs in Hannover Nord. Das Gelände wurde zeitgleich mit dem Hauptbahnhof 1877 in Betrieb genommen und nach Kriegszerstörung von 1950 bis 1958 wieder aufgebaut.
Der Teilabriss der Hallen und Umbau zur Gewerbenutzung (2016-2019) ließ von der ehemals lichtdurchfluteten Stahlkonstruktion und den Fassaden wenig übrig. Dabei lassen sich diese lichten Tragkonstruktionen auch neu bauen wie in der 2017 in Tallin eröffneten Markthalle Balti Jaama Turg. Die Hallendächer werden getragen von bunten Bäumen, an denen das Licht der Oberlichter hinunterfließt.