Niemand weiß, wie sich der Regenbogen anfühlt. Ein schönes Geheimnis. Die Dänen bewegen sich immer etwas aus ihrem Alltag heraus um dieses Gefühl zu finden. Es zählt der Gedanke daran und die Suche danach. Und wenn die Menschen auf diesem Weg auch noch Spaß haben, dann kann es nur richtig sein. Den Kindern im Regenbogen auf dem Dach des Museums macht es Spaß. Wir waren in Aarhus, Viborg und Aarlborg und haben uns diese dänische Leichtigkeit angeschaut.
Die Ruhe von Viborg in einer stillen, schönen Seenlandschaft. Das fiel mir in diesem Sommer besonders schwer. Wahrscheinlich weil mich die altehrwürdige dänische Kleinstadt ohne jegliche Aufgeregtheit mit tiefenentspannten glücklichen Menschen dazu brachte, über mich selbst nachzudenken. Aarhus macht es wesentlich leichter, bestimmten Gedanken auszuweichen. Die Stadt ist immer in Bewegung, wie die Läufer am Marselisborg Strand in der Aarhus Bucht. Eine trendige Szene und buntes kulturelles Leben. Viele optische Reize, Abwechslung und Ablenkung. Den Schatz am Ende des Regenbogens habe ich dort auch nicht gefunden, aber mit Paul Auster die passende Urlaubslektüre. In City of Glass erzählt die zentrale Figur Quinn über die Ablenkung und Flucht des Großstadtmenschen vor sich selbst.
Each time he took a walk, he felt as though he were leaving himself behind, and by giving himself up to the movements of the streets, by reducing himself to a seeing eye, he was able to escape the obligation to think, and this, more than anything else , brought him a measure of peace, a salutary emptiness within.
Paul Auster City of Glass
Darin habe ich mich erkannt. Und da über Viborg auch nach der Rückkehr die gleiche sommerliche Ruhe lag, gab es genug Zeit für das nächste Buch. Zauber der Stille, ein sehr originelles historisches Porträt über Caspar David Friedrich von Florian Illies. Malerische Schwermut in melancholischen Landschaften. Auch nicht gerade hilfreich bei einer unausgeglichenen Gemütslage. Beide Bücher stehen für Stille und Unruhe, für meine innere Zwiesprache in diesem Urlaub.
Über Aarhus schwebt das Markenzeichen des Aros Museums. Ein kunterbunt verglaster, begehbarer Panoramaring. Von überall sichtbar, weithin leuchtend in einer Stadt unter dem Regenbogen. Das Museum darunter zeigt moderne und alte Kunst auf über 17.000 Quadratmetern. Eine Erweiterung steht bereits im Rohbau und soll 2025 eröffnet werden. Am Ende stelle ich mir immer die gleiche Frage. Was hätte ich gerne nach Hause mitgenommen? Diesmal eine klare Antwort. Ein ganz besonderes Bild von Frants Henningsen, Verlassen (1888) Mutter mit 2 Kindern. Wie schafft man es, soviel Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit zu malen? Und dann noch eine spektakuläre Skulptur von Ron Mueck. Ein überdimensionales neugeborenes Baby mit hyperrealistischer Oberfläche. Dafür hätte ich zu Hause aber auch keinen geeigneten Raum gefunden .
In Viborg wohnten wir in der ältesten Straße, der Stc. Mogans Gade. Die Häuser 500 Jahre alt, flach und langgestreckt, farbig verputzt oder in Fachwerk mit roten Ziegeldächern und Sprossenfenstern. Etwas Backsteingotik wie in Lübeck und Stralsund. Stockrosen vor den Fassaden. Mauerteile erbaut aus Resten des abgebrannten Doms. Idyllische Höfe hinter halbgeöffneten Holztoren. Dazwischen Schwalben im Sturzflug. Die Stille nur durchbrochen durch die Schreie der Möwen und unseren dänischen Nachbarn. Ein leidenschaftlicher Fan von Elvis, Jonny Cash, Frank Sinatra und von amerikanischen Shows. Sitcom, Quiz und Reality liefen den ganzen Tag. Gesprächsversuche und eine kurze Annäherung im Hausflur: We really like your music and your voice, but not at midnight. Maybe you could turn down… Am nächsten Tag kaum Verbesserung. Sicher auch wegen der dünnen Wände. Eine gute Stimme hatte er. Mutmaßungen: Ist das ein Selbstexperiment, kifft er oder schreibt vielleicht freiberuflich über diesen TV Trash? Das würde passen. Die Sonnenbrille setzte er jedenfalls kaum ab und verließ selten das Haus. Wir wohnten also wieder mal authentisch. Dazu gehörte auch die Dänin, die ihre Katze an der Leine im Hinterhof spazieren führte und die dänische Familie, die beim Grillen alles verqualmte. Insgesamt sehr hyggelig.
Heimatmuseen bestehen oft aus kleinen Räumen, die einfach nur vollgestellt sind. Auf den Besuch verzichten ist die bessere Alternative zur schlechten Laune danach. Das kleine Skovgaard Kunstmuseum in Viborg ist anders. Hier wirken die Räume zusammen mit den Exponaten. Hell, großzügig und mit einer dezent zurückhaltenden Ausstellung. Im Sommergarten auf dem Hjultorvet Platz in der Altstadt geht um Stadtnatur und Gemeinschaft mit Minigolf, Boule und Open Air Bibliothek. Die Asmild Kirche etwas außerhalb des historischen Zentrums ist aus dem 11. Jahrhundert, eine der ältesten Kirchen Dänemarks und noch in Nutzung.
Ich hatte sie hier schon oft zum Thema, die kulinarischen Erlebnisse, das Preis Leistungsverhältnis und die frittierten Beilagen. Da gibt es eine rote Linie von den Niederlanden über Belgien nach Dänemark. Auch bei den Dänen herrscht große Beliebtheit für diese merkwürdig verkrusteten Objekte mit fragwürdigen Füllungen, die man in den Tiefkühlabteilungen beutelweise bekommt. Also lieber Verzicht und Selbstversorgung. Die dänischen Supermärkte, auch der in der Altstadt von Viborg, haben große Frischeabteilungen.
Dänemark ist gut strukturiert. Man kommt ganz gut klar ohne Überraschungen. Das mögen die Deutschen. Natürlich ist die Digitalisierung deutlich weiter. Busfahren und Parken im öffentlichen Straßenraum geht zum Beispiel in Aarhus inzwischen nur noch über die App. Supermarktkassen und Tankstellen sind automatisiert und Candy Regale deutlich länger und spannender als bei uns. Keine Ahnung, warum mir das letzte gerade so wichtig ist. Aber weiter. Der Cappuccino und ein großes Bier kosten fast 7 Euro und die Kugel Eis 3,50 Euro. Das stört die Deutschen dann doch. 50 Lakritzsorten helfen nur bedingt weiter. Oder ist es genau diese Substanz, die die Dänen so entspannt und glücklich macht?
Hald Slot ist ein Aussichtsturm auf einer Halbinsel im Hald See etwa 8 Kilometer südlich von Viborg. Der Turm steht auf den Ruinen einer mittelalterlichen Burganlage und ist keine romantisierende Rekonstruktion der historischen Idealvorstellung. Mit traditionellen Materialien wie Abbruchziegel und Eichenholz wird der alte Burgstandort markiert und architektonisch modern interpretiert. Im Innenraum gibt eine timeline zeitliche Orientierung zu den vergangenen Ereignissen in der historischen Landschaft. Dazu der weite Blick über das umliegende Naturschutzgebiet und den See.
Das Skovgaard-Museum (skovgaardmuseet.dk)
Veranstaltungen – Wir sind Viborg – Freuen Sie sich (vierviborg.dk)
Aarhus ist eine kleine Großstadt, energetisch sehr aufgeladen. Die Kulturstadt Europa von 2017 wirkt größer als sie tatsächlich ist. Wie ein bunter Vogel, der sich aufplustert. Mit 290.000 Einwohnern deutlich kleiner als Bielefeld! Das werden die Bielefelder niemals glauben. Moderne und historische Architektur, Shoppen, Hafen und das neue, spektakuläre Viertel Arhus Ø an der nördlichen Hafenspitze. Im Süden sind es die Sandstrände und Naturschutzgebiete mit alten Buchenwäldern, die Aarhus zur Stadt mit hoher Lebens- und Freizeitqualität machen. Die bewaldete Küstenlinie erinnert an Rügen. Hier treffen sich alle. Zum Baden, Picknicken, Sonnen, Chillen, Joggen, Fahrradfahren und Wandern.
Und dann noch etwas, das Deutschland selten hinbekommt und das den sozialen Gemeinsinn der dänischen Gesellschaft zeigt. Das Dokk 1 am Eingang zum Hafen. Bürgerhaus für alle, Bibliothek und aktiver Ort der lebt und auch Kindern Spaß macht. Einfach nur dasitzen und versonnen durch die Panoramafenster auf den Hafen schauen, in der Vinyl Ecke Schallplatten hören, schreiben, lesen, in den Werkstätten experimentieren mit 3D Druck, Tischtennis spielen, klettern, Lego bauen, in Glasboxen ungestört online arbeiten oder einfach nur durch die Räume flanieren und den Kinderwagen schieben. Markierte Kinderwagenparkplätze gibt es im Dokk 1 natürlich auch. Das umlaufende außenliegende Terrassendeck ist ein outdoor Spielplatz mit riesigen Kletterfiguren aus fünf Kontinenten und bunten Sitzlandschaften für die Familienpause.
Wer lieber dänisches Design shoppen möchte. Aarhus hat einen eindrucksvollen Konsumtempel, das Salling mit 22.000 Quadratmeter Einkaufsfläche. Über den Aufzug kommt man auf den Salling Rooftop. Ein parkähnlicher Dachgarten aus zueinander versetzten, verschachtelten Ebenen, die sich über Freitreppen, Lichthöfe und grüne Inseln miteinander verbinden. Eine Himmelstreppe, die die Wolken zu berühren scheint und ein Skywalk der weit in den Straßenraum hinausragt sind die spektakulären Elemente. Natürlich nicht vorstellbar ohne exklusive Gastronomie und eine Sitzlandschaft für Konzerte und DJ Events.
Latinerkvarteret nennt sich der historische Teil des Zentrums von Aarhus. Kleine Läden, Kunsthandwerk und Eckkneipen. In den Shopping Pausen sitzt die junge Szene vor den Restaurants und Cafés und schlürft Weißwein, Latte und Austern.
Nicht überzeichnet meine kurze Momentaufnahme. So war der Eindruck. Ganz angenehmes sommerliches und chilliges Straßenleben, aber wirklich authentisch ist das Viertel nicht. Eher eine Postkartenidylle, romantische alte Fassaden, individuelles, exklusives Shopping und Gastronomie. Sehr homogenes, junges dänisches Publikum, wenig Multikulti. Dazu passende Konzepte wie die Smykbar, in der man sich beim Prosseco die eigenen Armbänder und Halsketten zusammenbastelt. Eine ähnlich schlaue Strategie wie die des großen schwedischen Möbelhändlers. Wir bezahlen für unsere eigene Leistung und setzen Möbel und Schmuck zusammen. Das nennt sich kreativer Erlebniskauf. Dann haben wir aber doch noch eine authentische Hinterhof Kneipe gefunden. Den Super Plattenladen. Das Flaschenbier aus dem Kühlschrank und die einzige Toilette ist gegendert. Ein Freiwilligenkonzept mit Musikkultur. Es bedient also wer das Pech hat, gerade zufällig da zu sein und aus Versehen hinter dem Tresen steht. Publikum im Innenhof wie bei uns in Hannover am Kiosk. Auch mal der alkoholisierte Nachbar von nebenan.
188 Meter Unendlichkeit. 60 Meter im Durchmesser. Die Unendliche Brücke, den Uendelige Bro. Ein Kunstobjekt aus der Aktion Sculptures by the Sea 2015 im Vorfeld zur Kulturstadt Europa. Nur scheinbar zweckfreie Kunst, ein Holzring vom Strand aufs Meer geschoben. Die Menschen wandern mit Blick auf den fernen Hafen über das Wasser. Endlose Runden ohne anzukommen. Manche schwimmen im Ring wie auf einer Theaterbühne. Das Publikum um sie herum. Ein Weg ohne Ziel. Alle lassen sich Zeit, genießen das Meer und die Landschaft. Weil es so schön ist. Die Frage wie beim Regenbogen. Wie fühlt sich die Unendlichkeit an? Es entsteht eine Ahnung. Das ist doch schon sehr viel. Wenn Kunst im Alltag ankommt, verändert sie die Menschen. Die Künstler und Architekten Niels Povlsgaard und Johan Gjødes haben viel erreicht.
In der alten Halle des Busterminals direkt am zentralen Busbahnhof Rutebilstation liegt das Aarhus Streetfood Gelände. An vielen kleinen Ständen in der Halle und auf dem Außengelände bekommt man schnell und frisch zubereitete internationale Küche zu Preisen, die unter dänischem Restaurantniveau liegen. Dazu gibt es eine lebendige und bunte Atmosphäre mit Lametta unter der Decke und selbstgemachtes Smarties Eis.
Domen – eine transparente Kuppel auf einer filigranen Holzkonstruktion direkt am Hafenbecken. Ästhetische Hülle und laut dänischem Tourismusportal tropische Atmosphäre. Das stimmt tatsächlich. Aber nicht wegen der exotischen Pflanzen und Palmen. Die sommerliche Erwärmung liefert eine feuchtwarmes Klima. Das ist bauphysikalisch katastrophal und kaum auszuhalten. Ein Lüftungselement oben auf der Kuppel reicht einfach nicht. Schade, denn der Raumeindruck ist ganz schön, aber wir mussten einfach schnell wieder nach draußen. Der bedauernswerte Service im Café sah auch nicht gerade glücklich aus. Wahrscheinlich Atemprobleme und einfach nicht tropentauglich. Das urban gardening auf dem Außengelände ist wie üblich etwas verwildert. Also keine Anlage, die der deutsche Kleingärtnerverein akzeptierten würde.
Die Stadtentwicklung in Aarhus hat durch die Investitionen zur Kulturstadt Europa 2017 und durch die Hafenentwicklung zum neuen Stadtteil Aarhus Ø kulturell und architektonisch eine unglaubliche Innovation und Dynamik bekommen. Man staunt über die Investitionssummen der einzelnen Projekte. Eine Erklärung ist neben den staatlichen und europäischen Fördergeldern die Merchant Herman Salling’s Foundation, die von der Salling group, dem größten Einzelhandelsunternehmen in Dänemark verwaltet wird.
Unterstützt werden laut Homepage Projekte aus den Bereichen Kunst und Kultur, Sport, Kirche, Forschung, Innovation, Bildung und gemeinnützige Zwecke. Um die Dimensionen zu zeigen: Die Stiftung hat seit 2012 über 2 Milliarden Dänische Kronen (etwa 268 Millionen Euro) in der Region gespendet. Allein für 2023 wurden 214 Millionen Dänische Kronen Fördermittel verteilt ( etwa 29 Millionen Euro). Zu den geförderten Projekten gehört auch das Meeresschwimmbad im nördlichen Hafenbecken in direkter Sichtweite der spektakulären Wohnungsbauten Aros Ø. Von einem öffentlich zugänglichen Steg kann man das Schwimmbad gut überblicken. An der Hafenpromenade stehen kleine Häuschen mit Gastronomie und Läden, die das passende Beach Feeling liefern. Direkt neben dem Schwimmbad eine Wasserskianlage mit Sprungschanzen und Tribüne mit Aussicht.
Mit den expressiven Wohn- und Bürobauten, die auf das Meeresschwimmbad folgen, erreicht man auch das nördliche Ende des Hafens. Architekturikonen wie das Lighthouse, ein Wohnturm, der als aktuell höchstes dänische Gebäude wie ein Leuchtturm an der Hafenspitze steht, oder der Eisberg (Isbjerget), der mit visuellen Assoziationen von Eis und blau durchschimmerndem Wasser spielt, stehen hier als selbst bezogene Designobjekte. Möbeldesign im Raum macht aber noch keinen Raum. Die beeindruckenden grafischen und baulichen Fassadenspielereien sind nett anzuschauen, für das Stadtmarketing visuell optimal, aber ob sie auch Qualität im Wohnumfeld des Stadtviertels schafft? Die Dimensionen sind gewaltig, wie beim Nicolinehus mit 45000 Quadratmeter Nutzfläche als Mix aus Gewerbe und Wohnen. Naja, zumindest gibt es spektakuläre Aussichten aus den Wohnungen auf das Meer.
Wohnanlage im Eisberglook erhält Architekturpreis – ingenieur.de
Ein großer Däne: Arne Jacobsen, Architekt und Designer von Möbeln und Innenräumen. Seine Stärke war das, was heute kaum noch möglich ist. Architektur als Gesamtkunstwerk und nicht von einzelnen Spezialisten zusammengetragen. Innenräume, Möbel, Beleuchtung und Architektur, alles gestaltet von einer Hand. Das Rathaus von Aarhaus (Bauzeit 1937-41) steht beispielhaft für seine Arbeit. In einer funktionalen, strengen Fassade aus norwegischem Marmor steckt eine sinnliche Innenhülle aus warmen Holzelementen und Messingprofilen. Im Kontrast weiße Tragstrukturen und Brüstungselemente. Und alles lichtdurchflutet über die Oberlichter.
Als ich in der Eingangshalle stand, war er wieder da, dieser deutsche Reflex und Gedanke, gleich von einem Behördenmitarbeiter nach dem Grund des Besuchs, nach der Legitimation gefragt zu werden. Aber dann fiel es mir wieder ein. Das hier ist ja Dänemark, Transparenz und Offenheit. Keine misstrauischen Blicke. Wir liefen an offenen Bürotüren vorbei und fuhren in den historischen Aufzügen in die oberen Etagen. Und übrigens, sehr schöne Wandleuchten und edle Messingaschenbecher in den Aufzügen.
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Auf Arne Jacobsen folgt Jørn Utzon. Das ist kein Ranking. Beide waren in ihrem kreativen Schaffen große Architekten. Der Beitrag über das Jørn Utzon Center in Aalborg beginnt mit einer der ersten Skizzen von Utzon zum Opernhaus in Sydney. Wie kommt man auf diesen genialen Entwurf? Gute Architektenskizzen zu den ersten Gedanken sind immer unbekümmert und unbefangen. Das Gebäude wirkt wie eine kindliche Idee. Die Antwort liegt tatsächlich in Utzons Jugend. Geprägt durch die Arbeit seines Vaters, einem Yachtkonstrukteur in Aalborg, half er schon früh, Schiffsmodelle und Konstruktionszeichnungen anzufertigen. Schiffsbau ist mit einigen Exponaten deshalb auch Thema im Museum und zeigt die enge Verbindung des Architekten zu seinen frühen Erfahrungen. Diese visuelle Prägung durch Schiffe findet sich im Entwurf der Oper, in den mit weißen Keramikfliesen bekleideten Betonschalen, die an aufgeblähte Segel im Wind erinnern. Louis Kahn hat zu dem gebauten Ergebnis einmal gesagt: Die Sonne wusste nicht, wie schön ihr Licht war, bis es von diesem Gebäude reflektiert wurde.
Utzon begleitete den Bau der Oper von 1956 bis 1966 und wurde aufgrund der anhaltenden Diskussion zu den explodierenden Kosten und Meinungsverschiedenheiten zur Ausführungsqualität vom Bauherrn entlassen. Ein australisches Architektenteam führte den Bau weiter bis zur Fertigstellung und Eröffnung 1973.
Meine Begegnung mit der deutschen Kunstlehrerin, die im Gespräch zur Architektur behauptete, alles sei doch sowieso Geschmacksache, fällt mir in der Museumspädagogik wieder ein. Die 10 Jahre alte Geschichte wird wieder lebendig. Ich werde sie einfach nicht los. Die Dänen habe zur frühen Architekturbildung von Kindern einen deutlich differenzierteren Ansatz. Schließlich ist Lego auch eine dänische Erfindung. Deshalb folgt auf die Skizze von Jørn Utzon auch das kleine Mädchen, das sich im Utzon Center mit einer architektonischen Aufgabe beschäftigt. Ihre Baumaterialien sind Wäscheklammern, Putzschwämme, Gummibänder, Heftklammern und Streichholzschachteln. Aus zwei Perspektiven, weil mich die Situation so beeindruckt hat. Werke der großen und kleinen Baumeister vor ihr hängen an den Wänden. Einen Raum weiter tobt die Leidenschaft im Lego Bau. Erwachsene und Kinder konstruieren wild durcheinander und sitzen in einer riesigen Tonne mit weißen Legosteinen. Interessanterweise nur weiße Steinen, die nicht von der Konstruktion und Form ablenken. Darauf käme kein deutscher Museumspädagoge. Der dänische Weg funktioniert.
Das Utzon Center (Einweihung 2008) ist das letzte Werk des Architekten und entstand zusammen mit seinem Sohn Kim Utzon. Ein entwurfliches Geschenk von Utzon an seine Heimatstadt Aalborg, in der er seine Kindheit und Jugend verbrachte.
Der Bildungsauftrag zur Architektur, den das Utzon Center verfolgt, ist beeindruckend und zeigt sich in den Veranstaltungen, Workshops und Sonderausstellungen. Aus einer Vorankündigung des Utzon Centers zu einer Podiumsdiskussion im August 2024 zu dem Thema Vermittlung von Architektur – Architekturliteratur für Kinder
Doch warum ist es überhaupt relevant, Kindern und Jugendlichen Architektur zu vermitteln? Sprechen Sie mit uns über architektonisches Verständnis, demokratische Bildung, kluge Hände und kreative Köpfe.
Auch die Sonderausstellung des japanischen Architekten Sou Fujimoto hatte etwas von der Leichtigkeit der begeistert herumlaufenden, spielenden und experimentierenden Kinder. Unter dem Titel Primitive Future – Everything is Circulation zeichnet der Architekt mit einem 500 Meter langen gebogenen Draht, der sich durch den Ausstellungsraum schlängelt, seine Vorstellungen und Visionen der architektonischen Welt und Umwelt in die Luft. Die ganze Welt auf einer Linie.
Und noch ein poetisches, buntes Bild aus Aalborg. Ortswechsel in das etwa einen Kilometer vom Utzon Center entfernte, ehemalige Heizkraftwerk Nordkraft, das 2007 -2009 von CUBO Architekten aus Aarhus zu einem Kulturzentrum umgebaut wurde. Nordkraft versteht sich mit 30.000 Quadratmeter Fläche als riesiges Kraftwerk für Kultur und Freizeit, Lernen und Bildung mit Kino, Theater, Kunst-und Sporthalle, Konzerträumen und Restaurant. In der rohen, massiven Betonkonstruktion der ursprünglichen Kesselhalle hängen unter den Kohlesilos über dem Kinderspielstrand bunte Lampignons. In Deutschland wären das Brandlasten, in Dänemark ist es Poesie. Brutaler Beton mit Spuren der Vergangenheit und buntes Papier. Welches deutsche Kulturzentrum hat eine so große Kinderspielfläche im Eingangsbereich? Die 1000 Quadratmeter große Kesselhalle ist variable, multifunktionale Fläche für vielfältige Veranstaltungen. Eine besondere, rohe und authentische Umbaukultur, ganz anders als die teuren perfekten Sanierungen mit glattlackierten Flächen, die man sonst von derartigen Projekten gewohnt ist.
Und dann noch ein kurzer Ausflug nach Skagen zum nördlichsten Punkt. Der Ort eher touristisch niedlich und in der Hochsaison von Besuchern überlaufen, die einmal an der nördlichsten Spitze stehen wollen. Ist diese Masse von Beton, die dort am Strand gelandet ist, eigentlich Architektur? Man kann das so sehen. Wer sagt denn, das Architektur immer zum Glück der Menschen beiträgt. Wie Ungeheuer stehen sie etwas unwirklich an der schönen dänischen Küste und laden zum klettern ein. Die Bunker sind Kriegsarchitektur, Teil des Atlantikwalls und ein Geschenk der deutschen Ingenieure an Dänemark im Zweiten Weltkrieg. Neben meinem Zynismus bleibt die Erleichterung, dass Dänemark unabhängig geblieben ist und sich eine eigene Identität bewahrt hat fernab der deutschen. Auch ein beruhigendes Fazit dieser Reise.
Deutsche BauZeitschrift – die Architekturfachzeitschrift (dbz.de)