StadtParty

Die einzige deutsche Metropole. Meinungen die weit auseinandergehen. Über das Schöne in München und Hamburg ist man sich schnell einig. Berlin dagegen gilt für viele als laut, unstrukturiert, dreckig und chaotisch. Also eigentlich wie eine einzige große Party. Aber wer geht nicht gerne auf Parties. Und außerdem gibt es nach dem Feiern ja noch die Kultur.

Irgendwie sind die Menschen in Berlin speziell und auch die Zugereisten verändern sich mit der Stadt. So unterschiedlich wie die Figuren im Prenzlauer Schaufenster. Und in welcher Stadt wachsen schon Blumen aus dem Glas. Das Chaos beginnt im öffentlichen Nahverkehr. Anfang und Endpunkt und dazwischen interessante Kombinationen aus Baustelle mit Wechsel von Tram zu U-Bahn, Hochbahn, Regionalbahn und Bus. Nach etwa 3 Tagen, also kurz bevor man wieder nachhause fährt, hat man das System verstanden. Regelmäßig überholt die aktuelle Baustellenlage die Streckeninformation auf google maps. Ein neuer Fahrgast steigt zu und betrachtet den jungen Mann mit dem Gepäck auf dem Nachbarsitz. Dann kurz und knapp: Muss der Rucksack hier sitzen? Berliner Direktheit.

Wir sind aber immer angekommen. Gewöhnen muss man sich an die Entfernungen zwischen den Stadtteilen. 45 Minuten zwischen unserem Hotel im Wedding und Neukölln. Aber es lohnt sich. Auf dem Dach der Neukölln Arkaden hat sich der Klunkerkranich zum beliebten Club und Kulturdachgarten mit DJ Akustik und Biergarten etabliert. Dazu gibt es eine 360 Grad Panoramaaussicht über Berlin. Aufgrund der Distanzen sollte man sich in Berlin pro Tag möglichst nur einen Schwerpunkt suchen. Kreuzberg und Neukölln als benachbarte und alternativ multikulturelle Stadtteile kann man entspannt zusammen erleben. Highlight in Kreuzberg ist der Wochenmarkt am Samstag ab 10:00 in der historischen Markthalle IX (Eröffnung 1891). Sie gehört zusammen mit der Arminiushalle in Moabit (Markthalle X) zu den beiden letzten Markthallen von ehemals 14 historischen Berliner Hallen aus dem 19.Jahrhundert. Wir saßen zu Mittag beim Elsässer André Michel, der regionale Produkte von kleinen Produzenten aus seiner Heimat anbietet.

KLUNKERKRANICH | Der Kulturdachgarten über Neukölln

Markthalle Neun

In Sichtweite der Markthalle IX liegt der Lausitzer Platz. Hier wirkt Kreuzberg sehr kleinstädtisch und familiär. Kaffee- und Kuchenpause, auch um die smartphones aufzuladen, machten wir im Restaurant am Engelbecken. Das Staubecken war Teil des Luisenstädtischen Kanals, der ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Spree mit dem Landwehrkanal verband. Die verträumte, schmale und langgestreckte heutige Parkanlage verläuft auf dem alten Wasserweg, der später zugeschüttet wurde.

Im Restaurant fragten wir die Bedienung nach weiteren interessanten Ecken in Kreuzberg. Naja meinte sie, vielleicht die Oranienstraße…. Ist es da schön ? Naja, nicht wirklich, aber hat Charakter…Tatsächlich ändert sich im Verlauf der Oranienstraße das städtische Bild abrupt. Durch die starke Zerstörung der Straße im Zweiten Weltkrieg stehen Gründerzeitarchitektur und Nachkriegsbetonmoderne sensibel ergänzt dicht nebeneinander. Das war wohl mit Charakter gemeint.

Berlin strengt an. Deshalb ist man immer auf der Suche nach Erholung und einer kurzen Pause. Selbst ein geöffnetes Friedhofstor an der breiten, stark befahrenen Karl-Marx-Straße in Neukölln wird da interessant. Mit der Kaffeebar Jakobi verbindet sich denkmalgeschützte Friedhofskultur des Alten St. Jakobifriedhofs (1852) und moderne Kaffeehauskultur. Thematisch gehört das Erlebnis eigentlich in den Beitrag Hades. Da ich das morbide Umfeld den beiden sehr freundlichen Männern hinter der Kuchentheke aber nicht antun möchte, sind sie hier besser untergebracht. Den schön gestalteten Raum betritt man direkt hinter den Kollonaden der im Stil einer römischen Tempelanlage erbauten ehemaligen Friedhofskapelle. Wem es vor der Kapelle an der Straße noch zu laut ist, sitzt hinter dem Café direkt am Friedhof.

Und noch eine Oase in der Großstadtwüste. Der Prater Biergarten mit den ersten Anfängen des Bierausschanks schon im Jahr 1837 ist der älteste Biergarten Berlins. Viele halten ihn auch für den schönsten. Der Reiz liegt sicher in der zentralen Lage mitten im Prenzlauer Berg. Das weitläufige Gelände mit 600 Sitzplätzen und den historischen Holzbuden vermutet man kaum hinter dem relativ unscheinbaren Eingang von der Kastanienallee. Zum Weizen gab es Flammkuchen. Diesmal also nicht die süße Kuchenkombination. Es war die falsche Tageszeit.

Alter St. Jacobi: Kurzporträt ǀ Evangelischer Friedhofsverband

Prater Biergarten – Der älteste und schönste Biergarten Berlins (prater-biergarten.de)

Der Mauerpark ist das grüne Wohnzimmer zwischen Prenzlauer Berg und Wedding. Durch die menschengemachte Atmosphäre sehr beeindruckt sind wir nach dem ersten Besuch gleich am nächsten Tag wieder hingefahren. Am Samstag war es noch etwas chillig mit Grillen und Biergarten. Die Berliner und Touristen saßen nebeneinander am Hang und blickten in die untergehende Sonne. Am Sonntag zum Flohmarkt dann die absolute Szene Party mit Straßenmusik und Menschenauflauf. Den ehemaligen Todesstreifen der DDR Grenzanlagen direkt an der Bernauer Straßen haben sich die Berliner nach der Grenzöffnung angeeignet und sich einfach auf die Grünflächen gelegt. Im Grunde ist es heute noch so. Geöffnet durchgehend für jeden gibt es geringfügige landschaftsplanerische Ergänzungen mit Amphitheater und einem Biergartenbereich am Eingang von der Bernauer Straße. Die alte Topografie des Grenzverlaufs hat sich kaum geändert. Am oberen Abschluss des Hangs zum Sportpark stehen Reste der alten Grenzmauer. Treffpunkt der Graffiti Szene. Die Gedenkstätte Bernauer Straße flankiert mit diversen Objekten und großformatigen Fotos auf Brandwänden den Straßenverlauf und dokumentiert die damalige Situation. Eine Stahlplatte zeigt den harten Schnitt des Grenzverlaufs im Stadtkörper.

Die fast einen Kilometer lange Kastanienallee mit ihren Nebenstraßen bildet die gastronomische Lebensader am Prenzlauer Berg. Eine unglaubliche Kneipendichte. Wir konzentrierten uns auf die Oderberger Straße mit Spaghettieis und Waffeln im Café Kauf dich glücklich und indische Spezialitäten im Naan. Aufgefallen vor dem Café ist mir der Spatz, dem es sehr geschmeckt hat und zwei interessante Details im Innenraum des Naan. Den Versuch eines indischen Restaurantbesitzers, die deutsche Sanitärfliese im Normmaß 15 x15 cm mit indischer Farbigkeit zu egalisieren, habe ich noch verstanden. Aber inzwischen versucht die Bundeswehr über Edgar Werbekarten in indischen Restaurants am Prenzlauer Berg zu rekrutieren. Früher ist man nach Westberlin verschwunden, um der Wehrpflicht zu entgehen. Die Zeiten ändern sich. Originell sind aber die Werbetexter des Bundesverteidigungsministers. Auf einer Karte steht: Frei . Land . Haltung . Leider zu spät entdeckt haben wir das Hotel Oderberger mit Schwimmbad und Spa. Ich habe mal nachgeschaut. Das wäre eine günstige Unterkunft für meine nächste Fortbildung in Berlin. Die Webseite trägt den Slogan Feel History. Wer wenn nicht die Denkmalpflege ist hierfür qualifiziert. Mal schauen, ob sich mein Arbeitgeber überzeugen lässt. Schade! Diesmal verpasst.

Informationen aus und rund um den Berliner Mauerpark

Gedenkstätte Berliner Mauer | Stiftung Berliner Mauer

Hotel Oderberger Berlin – Prenzlauer Berg

Politik nimmt man oft sehr verzerrt wahr. Deshalb habe ich das Kanzleramt mal in der Fassade des gegenüberliegenden Paul Löbe Hauses fotografiert. Natürlich waren wir im Regierungsviertel, haben kurz einen Blick auf die Kuppel des ehemaligen Reichstags geworfen, die Schulklassen auf politischer Bildungsfahrt bemitleidet und sind dann wieder schnell mit der U-5 von der ultracleanen Station des Bundestages dem politischen Berlin davongefahren.

Noch nie habe ich eine so saubere U-Bahn Haltestelle gesehen. Darum kümmert sich wahrscheinlich der BND mit den installierten 360 Grad Fisheye Objektiven und verhört Kaugummikleber. Ist Berlin entgegen aller Vorurteile vielleicht doch sauber? Der Glaube hielt nur kurz. Wenig später standen wir auf dem Grünstreifen hinter der East Side Gallery an der Spree… Nur das offizielle Berlin ist also sauber. Dort habe ich auch Sacharow getroffen, der vor dem Müll die Augen schließt und mich selbst gezwungen, mal weniger Graffiti zu fotografieren.

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Aus einer Diskussion zu Mode und Architektur habe ich gelernt, dass Qualität für viele uninteressant ist. Deshalb setzte ich die Museumsinsel hier mal an den Schluss. Die Qualitätsbewussten können dann bis zum Ende lesen. Alle anderen müssen nicht weitermachen. Wir hatten einen time slot gebucht. Den braucht man unbedingt für den Höhepunkt der Museumsinsel, das Pergamon Museum, um Wartezeiten zu vermeiden. Auch für die Museen gilt in Berlin das gleiche wie für alle anderen Ziele. Reduzierte Konzentration. Die Faszination für neue Architektur in historischer Umgebung macht die Auswahl einfach. Ein absolutes Highlight ist die Ergänzung und Verbindung des Pergamon Museums mit dem neuen Museum durch die James Simon Galerie von David Chipperfield (Eröffnung 2019). Das Servicegebäude mit Foyer, Kassenbereich, Garderoben, Restaurant und Shop übernimmt Orientierung und horizontale und vertikale Verteilung für jährlich 2,8 Millionen Besucher. Neben dieser wichtigen funktionalen Bedeutung lag die große Herausforderung in der gestalterischen Einfügung der neuen Baumasse in die dominanten geschichtsträchtigen Bestandsgebäude. Davon zeugt auch die wechselvolle Planungsgeschichte und eine konfliktgeladene öffentliche Diskussion zum Wettbewerbsergebnis.

Das Ergebnis spricht für sich. Die körnigen, rauen und strahlend weißen Betonoberflächen mit Marmorzuschlag wirken trotz der Strenge der Säulenreihen spielerisch leicht vor den schweren Sandsteinfassaden der historischen Substanz. Das Thema der alten wuchtigen Pfeiler wird durch die filigranen Kollonaden des Neubaus fortgesetzt.

Die rekonstruierte babylonische Prozessionsstraße (Ischtar Tor ) im Pergamon Museum mit den auf blauer Keramikglasur schreitenden Löwen beeindruckt immer wieder. Aktuell war der Saal des Pergamonaltars wegen Bauarbeiten geschlossen und der imposante Kalifenpalast Mschatta in restauratorische Einzelteile zerlegt. Zu unserem Besuch 2014 hatten wir beide Attraktionen noch vollständig gesehen.

Das ebenfalls von David Chipperfield von 2003 bis 2009 wiederaufgebaute Neue Museum hatte im Zweiten Weltkrieg und danach viel bauliche Originalsubstanz verloren. Zur Sanierung wurde deshalb das Prinzip der Ergänzenden Wiederherstellung gewählt. Originalfragmente wie teilweise erhaltenen Wandfresken wurden neuen Bauteilen gegenübergestellt. Es entstand also keine bauzeitliche Rekonstruktion, sondern eine völlige neue Raumfolge mit neuen und alten Elementen. Radikal neu ist die Haupttreppe und eine imposante, tischartig eingestellte Ausstellungsplattform im Ägyptischen Hof. Zusammen mit einer handwerklich äußerst sorgfältigen und präzisen Ausführung und edlen Materialien wie geräuchertes Walnussholz wirkt dieses Konzept sehr überzeugend.

Da das Original der Nofretete im Neuen Museum nicht fotografiert werden darf, bleibt der Blick vom Kassenbereich auf das Banner.

Den Besuch der Museumsinsel kann man gut mit einem kurzen Rundgang durch die Hackeschen Höfe verbinden. Allerdings alles recht kommerziell. Nur der Hinterhof in der Rosenthaler Straße 39 mit dem Zugang zum Anne Frank Zentrum bietet etwas authentische Berlin Atmosphäre.

Viel gesehen in der Partystadt Berlin. Und dann eine Woche später zurück am Lichtenbergplatz in Hannover Linden. Stadtteilfest Blaues Wunder. Das Publikum auf den Bordsteinen, in den Hauseingängen und auf der Blumeninsel. Soulmusik am Straßenrand. Tolle Atmosphäre. Außerdem ist man in Hannover in 20 Minuten mit dem Rad überall und hat ein tolles Nahverkehrsnetz ohne komplizierte Baustellen. Und nochmal außerdem, was heißt hier eigentlich grünes Wohnzimmer Mauerpark Berlin. Meine Homebase Nordstadt ist zur Hälfte mit Parkanlagen und Grün bedeckt. Spontane Musik inbegriffen. Doch ganz schön zuhause zu sein.

Stadtteilfest Blaues Wunder Lichtenbergplatz Hannover Linden

Spontanjazz im Georgengarten und Klassik Ensemble Geräuschkulisse im Welfenpark

ensemblegeraeuschkulisse.com